Maria – Mutter der Kirche

Als sie in die Stadt kamen, gingen sie in das Obergemach hinauf, wo sie nun ständig blieben: Petrus und Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, und Simon, der Zelot, sowie Judas, der Sohn des Jakobus. Sie alle verharrten dort einmütig im Gebet, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern. (Apg 1,13-14)

Nach der Himmelfahrt Jesu zeigt uns die Apostelgeschichte die im Abendmahlssaal versammelten Apostel.
Sie sind einmütig im Gebet versammelt, zusammen mit den Frauen und Maria, der Mutter Jesu, und seinen Brüdern, so heißt es dort. (Apg 1,14).
In dieser Szene kann man die mütterliche Rolle, die Maria für die gesamte Kirche übernimmt, erkennen.
Maria vereint in ihrer Person zwei Schlüsselmomente der Heilsgeschichte:
die Menschwerdung des göttlichen Wortes und die Geburt der Kirche. So wird diejenige, die im Mysterium Christi als Mutter gegenwärtig ist, im Mysterium der Kirche gegenwärtig. Auch in der Kirche ist sie weiterhin eine mütterliche Präsenz.
Das Leben einer Mutter ist von der Geburt ihres Kindes an auf ihr Kind ausgerichtet.
Sie hat die Verantwortung, über das Geschenk zu wachen, das Gott ihr gegeben hat.
Ein Neugeborenes hat ein großes Bedürfnis nach seinem Schutz; und wenn das Kind erwachsen wird, hilft die Mutter ihm bei den Schritten im Leben, sofern das Kind das zulässt.
Das Evangelium zeigt uns an vielen Stellen etwas von der Fürsorge, die Maria Jesus schenkte.
Und in der Apostelgeschichte sehen wir die gleiche Sorge um die entstehende Kirche, als Maria über die Apostel und die ersten Christen wacht, als sie die junge Kirche zum Gebet zusammenhielt.
Maria betet mit der ersten Gemeinde.
Sie, die Lehrerin des Gebets, immer offen für die sanfte Stimme Gottes, lehrt die Jünger, vertrauensvoll auf das Geschenk zu warten, das von oben kommt:
den Geist, den Jesus als Frucht seines Todes und seiner Auferstehung versprochen hat.
So wie der Geist in der Menschwerdung in ihrem jungfräulichen Schoß den physischen Leib Christi geformt hatte, so kommt der Geist im Abendmahlssaal, um seinem mystischen Leib Leben zu geben.
Maria hat das Wirken des Heiligen Geistes bereits erlebt. Seiner schöpferischen Kraft war es zu verdanken, dass sie eine jungfräuliche Mutter werden konnte.

Aber „es war angebracht, dass die erste Ausgießung des Heiligen Geistes auf sie, die im Hinblick auf ihre göttliche Mutterschaft geschehen war, wiederholt und verstärkt wurde.“
Tatsächlich wurde Maria am Fuße des Kreuzes eine neue Mutterschaft anvertraut, die die Jünger Jesu betraf. Gerade diese Mission erforderte eine erneute Gabe des Geistes.
Benedikt XVI. hat einmal formuliert, dass „es keine Kirche ohne Pfingsten und kein Pfingsten ohne die Jungfrau Maria gibt“ (Regina Coeli, 23.05.2010).
Tatsächlich ist Maria in ihrer tiefen Demut und jungfräulichen Liebe zur Braut des Heiligen Geistes geworden.
Durch ihren Glauben, ihre Hoffnung und ihre Liebe ist Maria ein Prototyp der Kirche.
Sie ist so entäußert und so voller Liebe für den Willen Gottes, dass der Heilige Geist sich freut, ständig Gnaden auf ihre Seele auszugießen und ihre Gebete für die frühe Kirche zu begleiten.
Diese Erfahrung des Gebets mit Maria, um den Heiligen Geist anzurufen, gehört nicht der Vergangenheit an.
Wo immer sich Christen zum Gebet mit Maria versammeln, gibt der Herr seinen Geist.
Wir dürfen den Mut und das Vertrauen haben, unser Gebet in Gemeinschaft mit der Jungfrau Maria immer wieder zu erneuern.
Bitten wir sie, für uns vor Jesus hinzutreten, damit sie sich wie bei der Hochzeit in Kana an ihren Sohn wendet und sagt: „Sie haben keinen Wein mehr.“
Mit ihrer kraftvollen Fürsprache möge sie ein zweites Pfingsten in unseren Seelen und in der gesamten Kirche entfachen.

Die Liebe Gottes in unserem Leben

Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! (Joh 20,12-22)

„Wehmütig grüßt der, der ich bin, den, der ich sein möchte.“
Liebe Schwestern und Brüder,
Dieses Zitat, dass in den unterschiedlichsten Varianten mehreren Autoren neben Søren Kierkegaard zugeschrieben wird, kann uns wohl ganz gut in unsere Überlegungen am Pfingstfest hineinführen.
„Wehmütig grüßt der, der ich bin, den, der ich sein möchte.“
Okay, das mag morgens am Spiegel schon manchmal beginnen.
Aber da ist das Problem ja noch relativ einfach lösbar.
„Wehmütig grüßt der, der ich bin, den, der ich sein möchte.“ Das wird bei etwas tiefgründigerer Betrachtung existenzieller und bedeutsamer.
Wir alle haben eine Vorstellung davon, wie unser Leben verlaufen soll.
Was aber, wenn die Realität davon abweicht?
Die knappe Antwort von Pfingsten lautet: „Gott passt sich an!“
Sich an die Bedürfnisse des anderen anzupassen, ist ein tiefes Zeichen von Liebe.
 
Und genau das tut Gott für uns.
Genau das feiern wir am Pfingstfest.
An Pfingsten feiern wir das Geheimnis, dass und wie die Liebe Gottes in unser Leben kommt.
Pfingsten ist der Abschluss der Osterzeit.
Wir haben bereits Jesu Sterben, seine Auferstehung und seine Himmelfahrt gefeiert.
Aber all diese kraftvollen Erlösungstaten sind nutzlos, wenn sie keinen Einfluss auf unser Leben haben.
Wenn wir die Wirkungen des Todes und der Auferstehung Jesu nicht in uns tragen können, ist die ganze Kraft und Gnade des Ostergeheimnisses verschwendet.
Am Pfingstfest, feiern wir die Tatsache, dass Gott uns seinen eigenen hl. Geist gegeben hat, um die Kraft der Auferstehung Jesu in unserem Leben wirksam werden zu lassen, ja geradezu zu entfesseln.
Jesus haucht im Evangelium die Jünger an und sagt: „Empfangt den Heiligen Geist.“
Es ist Gottes eigener Geist, der dafür sorgt, dass sich die Wirkung der Auferstehung an unsere Lebensumstände anpasst.
Es ist wohl kein Zufall, dass sich viele der großen Mystiker der christlichen Tradition den Geist Gottes als einen Kuss vorgestellt haben.
Gottes Geist ist der Ort, an dem die Liebe Gottes unser Leben berührt.
Der Geist Gottes ist in dieser Hinsicht flexibel.
Er ist fließend und kann sich an unsere persönlichen Bedingungen anpassen.
Der Geist Gottes formt sich neu, um sich den Konturen unseres Lebens anzupassen.
Die gute Nachricht von Pfingsten ist, dass es keinen Ort und keine Situation gibt, keinen Winkel unseres Lebens, in den und in die der Geist Gottes nicht kommen kann.
Ist irgendwo im Leben Umkehr nötig?
Der Geist Gottes kommt und fordert zur Umkehr auf und stärkt dazu.
Ist irgendwo die Trauer groß geworden?
Der Geist Gottes kommt in unsere Trauer und pflanzt einen Samen der Hoffnung.
Ist Lebensfreude abhanden gekommen?
Ist alles gewöhnlich und routinemäßig geworden?
Der Geist Gottes kommt in unser Herz und öffnet unsere Augen, um das Wunder der Schöpfung zu sehen.
Gibt es Erfahrungen von Ablehnung und Zurückweisung? Der Geist Gottes hält unser Herz und schenkt uns Zuversicht, dass die Zukunft für uns Anerkennung bereithält.
Gottes Geist kommt in all unsere Ängste hinein und öffnet unser Herz, um jeden Tag zu leben und uns neu Gott anzuvertrauen.
Es gibt keinen Ort, an den der Geist Gottes nicht kommen kann.
Es gibt keine Lebenssituationen, in die der Geist Gottes nicht eindringen kann.
Die gute Nachricht von Pfingsten ist, dass Gott die Kraft des Todes und der Auferstehung Jesu annimmt und sie an die Bedingungen unseres Lebens anpasst.
Das ist Gottes Versprechen.
Das ist Gottes Absicht.
Das ist Gottes Geschenk.
Um sicherzustellen, dass der Atem des Heiligen Geistes zu jeder Zeit und an jedem Ort immer in unser Leben gelangt.
Und wenn wir auf dieses Geschenk Gottes an uns schauen, so müssen wir auch bedenken, was Jesus bei der Übergabe dieses Geschenkes vorausgeschickt hat:
Er sagte:
„Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.“
Das heißt:
Behaltet das Geschenk Gottes, behaltet seinen heiligen Geist, behaltet, die Liebe, die er in euer Leben hineingegeben hat, behaltet die Barmherzigkeit, die er euch hat zuteilwerden lassen, nicht für euch.
Der Glaube ist mehr als ein Trost und ein Heilsversprechen oder ein persönliches Geschenk.
Der Glaube ruft uns dazu auf, uns den Herausforderungen unserer Zeit zu stellen.
Der Ruf: „Sende aus deinen Geist und das Antlitz der Erde wird neu“ ist uns geläufig, gerade an Pfingsten.
Christus lädt uns ein, an dieser Erneuerung mitzuwirken.
 
Mutter Teresa hat das sehr eindrücklich in einem Gebet formuliert:
„O Jesus! Hilf mir, Deinen Wohlgeruch zu verbreiten, wohin ich auch immer gehe.
Lass mein Herz überfließen von Deinem Geist und Deinem Leben. Dringe ein in mein innerstes Sein, und nimm so davon Besitz, dass mein Leben der Widerschein Deines Lebens sei.
Leuchte durch mich hindurch, und nimm auf solche Weise von mir Besitz, dass jede Seele, mit der ich zusammenkomme, Deine Gegenwart in mir spüren kann. Nicht mich sollen sie sehen, sondern Dich in mir.
Bleibe in mir, so dass ich durch dein Licht strahle und mein Licht die Anderen erleuchten kann.
All mein Licht wird von Dir kommen, o Jesus.
Nicht einmal der kleinste Strahl wird von mir sein.
Du wirst durch mich die anderen erleuchten.
Lege in meine Lippen das Lob, das Dir am meisten gefällt, und erleuchte andere, die um mich herum sind, so, dass ich Dich nicht mit Worten preise, sondern mit dem Beispiel meiner Taten, mit dem sichtbaren Glanz der Liebe, die von Dir in mein Herz kommt.“