Auf nach Galiläa

Und siehe, Jesus kam ihnen entgegen und sagte: Seid gegrüßt!
Sie gingen auf ihn zu, warfen sich vor ihm nieder und umfassten seine Füße.
Da sagte Jesus zu ihnen:
Fürchtet euch nicht! Geht und sagt meinen Brüdern, sie sollen nach Galiläa gehen
und dort werden sie mich sehen. (Mt 28,9-10)

Galiläa war die Heimat der Jünger, und Jesus trägt den Frauen auf, den Jüngern zu sagen, dass sie ihn in Galiläa sehen werden.
Also in der Heimat, den täglichen Momenten unseres Alltags sollen wir Jesus begegnen.
All diese alltäglichen Momente und Erfahrungen, auch wenn sie sich oft für uns nicht so anfühlen, können Momente der Auferstehung, der Gottesbegegnung sein, die wir mit Freude und Dankbarkeit annehmen dürfen, im Vertrauen darauf, dass sie uns wirklich Gott näherbringen werden.

Die Jünger mussten nichts Außergewöhnliches tun, um dem auferstandenen Jesus zu begegnen;
einfach nach Galiläa in ihren gewöhnlichen Alltag zurückkehren.

Derselbe Aufruf richtet sich auch an uns:
in unser Galiläa,
in unser tägliches Leben zurückzukehren,
aber das Licht und die Freude von Ostern dorthin zu bringen.
Wie Papst Franziskus es vor einigen Jahren sagte:
„Nach Galiläa zurückkehren bedeutet vor allem, dorthin, zu jenem glühenden Augenblick zurückzukehren, in dem die Gnade Gottes mich am Anfang meines Weges berührt hat. An diesem Funken kann ich das Feuer für das Heute, für jeden Tag entzünden und Wärme und Licht zu meinen Brüdern und Schwestern tragen.“ (Predigt in der Osternacht, 19. April 2014).

Heute dürfen wir diese Einladung unseres Herrn annehmen.
Möge die Auferstehung Jesu für uns eine Quelle der Freude sein.
Mögen wir das Licht empfangen, das er uns geben möchte, und es mit den Menschen um uns herum teilen.
Mögen wir, wie die heiligen Frauen mit Freude die Wahrheit verkünden, dass Christus lebt.

Maria am Karsamstag

Der Karsamstag ist immer ein zwiespältiger Tag. Ein Tag im „Nicht-Mehr“ und „Noch-Nicht“. Ein Tag des göttlichen Schweigens. Der Herr liegt tot im Grab.
Wie hat wohl die Gottesmutter diesen Tag erlebt?
Vielleicht haben ihr der Glaube, die Hoffnung und die zärtliche Liebe zu ihrem göttlichen Sohn Frieden gegeben und haben sie die Auferstehung mit heiterer Sehnsucht erwarten lassen.
Vielleicht hat sie sich an die letzten Worte Jesu erinnert: Frau, siehe, dein Sohn! (Joh 19,26). Sie wird wohl schon jetzt begonnen haben, ihre Mutterschaft gegenüber jenen Männern und Frauen auszuüben, die Christus seit den frühesten Zeiten gefolgt sind.
Sie wird vielleicht schon in dieser Situation begonnen haben, den Glauben und die Hoffnung der Apostel neu zu entfachen, indem sie sie an die Worte erinnerte, die sie vor kurzem aus dem Munde des Herrn gehört hatten: Sie werden ihn verspotten, anspucken, geißeln und töten. Und nach drei Tagen wird er auferstehen (Mk 10,34). Der Herr hatte sehr deutlich gesprochen, damit sie, wenn einmal schwierige Momente kämen, wüssten, wie sie im Glauben an seinem Wort festhalten könnten.
Gleichzeitig mit der schmerzlichen Erinnerung an die Leiden, die Jesus Christus ertragen musste, überkam Mariens mütterliches Herz vielleicht auch eine große Erleichterung bei dem Gedanken, dass nun alles vorbei war.
Wir dürfen unseren Glauben auf den Glauben und das Vertrauen der Gottesmutter stützen: vor allem, wenn die Dinge uns schwerfallen, wenn Schwierigkeiten auftreten und wir Momente der Dunkelheit durchleben.
Gehen wir vertrauensvoll in die kommende Osternacht, in der wir die Explosion der Freude feiern dürfen!

Durchblick gewinnen

In jener Zeit sah Jesus unterwegs einen Mann, der seit seiner Geburt blind war. Jesus spuckte auf die Erde; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn dem Blinden auf die Augen und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schilóach! Das heißt übersetzt: der Gesandte. Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen. (Joh 9,1.6-7)

Der Blinde in diesem Evangelium weiß gar nicht, wie ihm geschieht, als da plötzlich ein Fremder vor ihm steht und ihm eine Paste auf die Augen streicht. Er hatte Jesus nicht darum gebeten.
Vielleicht fehlte der Mut oder auch die Einsicht? Wer weiß es schon?
Wie seltsam und unerwartet muss diese Erfahrung der gesamten Szene für den Blindgeborenen gewesen sein!
Eine unbekannte Stimme aus der Dunkelheit, eine warme und nasse Paste auf seinen Augen, ein Befehl zu gehen und sich zu waschen ohne jegliche Erklärung, und dann –
Licht, Vision, ein neues Leben.
Nicht der Blinde hat sich Jesus ausgesucht, Jesus hat den Blinden ausgesucht!
Etwas Ähnliches gibt es auch in unserem Leben.
Oft sind die wichtigsten Schritte in unserem Leben nicht Entscheidungen, die wir treffen, sondern Entscheidungen, die uns treffen.
Einige der tiefgreifendsten Entscheidungen, die uns zu dem machen, was wir heute sind, die sogen. Wendepunkte in unserem Leben, waren doch nicht unsere Leistung, sondern Geschenke, Geschenke Gottes.
Hoffentlich haben wir einen Blick dafür!

Höre auf ihn!

In jenen Tagen sprach der Herr zu Abram:
Geh fort aus deinem Land, aus deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde! Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen
und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich werde segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, den werde ich verfluchen. Durch dich sollen alle Sippen der Erde Segen erlangen.
Da ging Abram, wie der Herr ihm gesagt hatte. (Gen 12,1-4a)

In jener Zeit nahm Jesus Petrus, Jakobus und dessen Bruder Johannes beiseite und führte sie auf einen hohen Berg. Und er wurde vor ihnen verwandelt; sein Gesicht leuchtete wie die Sonne und seine Kleider wurden weiß wie das Licht.
Noch während er redete, siehe, eine leuchtende Wolke überschattete sie und siehe, eine Stimme erscholl aus der Wolke: Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören.
Als die Jünger das hörten, warfen sie sich mit dem Gesicht zu Boden und fürchteten sich sehr. Da trat Jesus zu ihnen, fasste sie an und sagte: Steht auf und fürchtet euch nicht! Und als sie aufblickten, sahen sie niemanden außer Jesus allein. (Mt 17,1-2;5-8)

Jesus wurde auf dem Berg der Verklärung verwandelt.
Er wurde mit seiner Gottheit, als Sohn Gottes, aber auch in seinem ganzen Menschsein von Gott angenommen, in das göttliche Licht hineingestellt und von diesem Licht durchströmt.
Dies geschah auch, damit wir erkennen, was Gott mit uns vorhat, wenn wir aufstehen, zu Jesus aufblicken, all unsere Furcht und Sorge auf ihn werfen.
Was geschehen kann, wenn jemand alle seine Sorgen auf Gott wirft und Gottes Ruf folgt, wird uns im Abram gezeigt.
Gott ruft ihn, seine Heimat zu verlassen und an einen Ort zu reisen, den Gott ihm zeigen wird. Zum Zeitpunkt dieser Berufung war Abram 75 Jahre alt. Doch dieser große alte Mann hat all seinen Mut und seinen Glauben an Gott zusammengenommen, seine Familie versammelt, seine Sachen gepackt und machte sich auf den unsicheren Weg mit unbekanntem Ziel.  So wurde er zum Vater aller Glaubenden.
Weil er Gottes Stimme gehört hat und ihr gefolgt ist.
Diese Stimme Gottes ist im Evangelium wieder zu hören „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören.”
Es ist die grundlegende Anweisung an jeden Gläubigen: „Höre auf ihn.“
Wir können uns durch die Kraft Gottes ändern.
Auch wenn es in der Vergangenheit nicht geklappt hat, heute ist eine neue Möglichkeit.
Heute streckt Jesus uns die Hand entgegen, und sagt auch zu uns:
„Steht auf und fürchtet euch nicht!

Ab in die Wüste

In jener Zeit wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel versucht werden.
Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn.
Da trat der Versucher an ihn heran und sagte: Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird. Er aber antwortete: In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt.
Darauf nahm ihn der Teufel mit sich in die Heilige Stadt, stellte ihn oben auf den Tempel
6und sagte zu ihm: Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er um deinetwillen, und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. Jesus antwortete ihm:
In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen.
(Mt 4,1-7)

Es ist äußerst interessant, wie Jesus in den Anfechtungen, die ihn in der Wüste überkamen bei jedem einzelnen Punkt reagiert hat.
Er hat die Halbwahrheit, die ihm der Versucher vorgaukelte mit den Worten: „denn es heißt in der Schrift“ jeweils gekontert mit der Aussage: „In der Schrift heißt es auch“
Er hat sich also festgemacht, in seiner Beziehung zum Vater, er war zuhause in dem Wort des Vaters, dass er in der hl. Schrift vorfand und konnte so den Sinn der hl. Schrift für sein Leben und seine göttliche Sendung in ihrer ganzen Tiefe für sich erschließen.
Das kann auch uns Mut machen und darin bestärken in dieser Fastenzeit uns Momente der inneren Wüste zu schaffen, Gottes Wort mit hineinzunehmen und uns neu darin festzumachen.
Nicht umsonst hat Jesus gesagt:
„Nicht nur vom Brot lebt der Mensch, sondern von jedem Wort aus Gottes Mund.“
Schließen wir uns Jesus Christus und seinem Sieg über das Böse an.
Das ist der ganze Zweck und der tiefe Sinn der Fastenzeit. Deshalb gehen wir in die Wüste.

Die Erwartungen übertreffen

In jener Zeit sprach Jesus zu seinen Jüngern:
Ihr habt gehört,
dass gesagt worden ist: Auge für Auge und Zahn für Zahn.
Ich aber sage euch:
Leistet dem, der euch etwas Böses antut, keinen Widerstand,
sondern wenn dich einer auf die rechte Wange schlägt,
dann halt ihm auch die andere hin! (Mt 5,38-39)

Das Gebot, den Nächsten zu lieben wie uns selbst, verorten wir üblicherweise im Neuen Testament bei Jesus und das stimmt ja auch.
Aber Jesus wiederholt nur das Buch Levitikus. (vgl. Lev 19,17–18)
Jesus nimmt die Lehre, dass wir anders sein sollen, und verstärkt sie.

Es geht nicht nur darum keine Rache zu üben, sondern sogar so weit, dem Bösen nicht zu widerstehen:
Die andere Wange hinhalten.
Die Feinde nicht nur lieben, sondern sogar für sie zu beten.

Aber wer kann das leisten?
Wer in unserer Welt hält die andere Wange hin?
Wer bringt die Kraft auf, für seine Feinde zu beten?
Das sind doch sehr wenige.

Aber auch, wenn es nur wenige sind, so kann ich mir auch in der heutigen Zeit nicht vorstellen, dass es bei den Mitläufern des diktatorischen Ortega-Regimes in Nicaragua, die momentan eine Christenverfolgung ohne gleichen durchführen, ohne gedankliche Folgen bleibt, wenn Bischof Alvarez es ablehnt, in die USA ins Exil gebracht zu werden, sondern um der Wahrheit und der unterdrückten Menschen in Nicaragua willen, sich lieber zu 26 Jahren Haft in einem Foltergefängnis verurteilen lässt. #FreeBishopAlvarez #Nicaragua

Nun können und müssen wir in unserem alltäglichen Leben glücklicherweise nur selten solch radikale Fragen beantworten und solche Konsequenzen fürchten.
Und doch sollten wir immer darum bemüht sein, auf eine Weise zu handeln, die die Erwartungen der Menschen übertrifft.
Wenn wir versuchen, so zu handeln, eröffnen wir die Möglichkeit, dass sich neue Wege auftun. Jenseits aller Sackgassen, die unsere Welt weiterhin wählt, jenseits des Kreislaufs der Gewalt, der uns allmählich zerstört.

Zum Kern vordringen

Wir verkünden Weisheit unter den Vollkommenen,
aber nicht Weisheit dieser Welt oder der Machthaber dieser Welt,
die einst entmachtet werden.
Vielmehr verkünden wir das Geheimnis der verborgenen Weisheit Gottes,
die Gott vor allen Zeiten vorausbestimmt hat zu unserer Verherrlichung.
Keiner der Machthaber dieser Welt hat sie erkannt;
denn hätten sie die Weisheit Gottes erkannt, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
Nein, wir verkünden, wie es in der Schrift steht, was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat,
was in keines Menschen Herz gedrungen ist, was Gott denen bereitet hat, die ihn lieben.
Uns aber hat es Gott enthüllt durch den Geist.
Der Geist ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes. (1 Kor 2,6-10)

Vollkommene sind Menschen, die zur vollen Reife ihrer Persönlichkeit gelangt sind.
Christliche Reife ist die Fähigkeit, über innere spirituelle Empfindungen hinaus zu dem vorzudringen, was von bleibendem Wert ist.
Die Fähigkeit, über geistige Erfahrung nachzudenken und zu dem vorzudringen, was über das momentane Gefühl hinaus am wichtigsten ist.
Es gilt vom flüchtigen Gefühl zum bleibenden Wichtigen, zum Kern vorzudringen und zwischen beiden zu unterscheiden.

Der Vollkommene (bleiben wir ruhig bei diesem herausfordernden Wort aus dem Korintherbrief), der Vollkommene tut dies, indem er zuhört. Zuhören ist die Grundhaltung des Christen.
Und aus Zuhören folgt Befolgen.
Aus Horchen folgt Ge-horchen.
Deshalb sagt Jesus: „Ja, selig sind vielmehr, die das Wort Gottes hören und es befolgen.“; (Lk 11,28)
oder: „Meine Mutter und meine Brüder sind die, die das Wort Gottes hören und tun“ (Lk 8,21)
Zuhören ist wichtig, weil wir alle mit der christlichen Vollkommenheit zu kämpfen haben.